Dienstag, 20. Oktober 2015

"Kommerzielles" Publizieren in der Klassischen Archäologie


Es gibt Erstmittelforschung, die lange Zeit als vornehmste Form des Publizierens galt, es gibt Drittmittelforschung, die nicht zuletzt wegen der guten Quantifizierbarkeit der dabei verbrauchten Geldbeträge populär ist, und es gibt „kommerzielle“ Publikationen. Darunter muss man, streng genommen, alle Veröffentlichungen rechnen, für die den Autoren Honorar – und den Verlagen kein Druckkostenzuschuss – gezahlt wird. Publiziert werden auf diese Weise wohl ausschließlich Bücher, geschrieben in der Regel von Alleinautoren und ‑autorinnen. Manche Klassischen Archäologen schreiben nie ein solches kommerzielles Buch (oder sogar gar kein Buch mehr nach der Dissertation), etliche aber engagieren sich in diesem Bereich. Eigene Erfahrungen habe ich zwischen 2005 und 2015 mit vier Büchern gemacht, darunter einem englischsprachigen. Die Bemerkungen hier beziehen sich aber in erster Linie auf einen aktuellen Titel, das zusammen mit Sina Tauchert geschriebene Buch Helenas Töchter. Frauen und Mode im frühen Griechenland, erschienen dieses Jahr im Verlag Philipp von Zabern.

Worin besteht der Reiz, worin die Problematik eines solchen Buchprojekts? Kommerzielle Bücher, für die also ein privates Unternehmen das kaufmännische Risiko übernimmt, sind nur als „Sachbücher“ möglich, das heißt als Bücher, die ein Publikum außerhalb der – in der Klassischen Archäologie ziemlich engen – Fachkreise finden können. Dieser Punkt ist entscheidend für die Beantwortung der eben gestellten Frage. Das Sachbuch gilt vielen als zumindest ambivalentes Gegenstück zum Fachbuch, zur wissenschaftlichen Studie, die allein beanspruchen könne, einen gewichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung zu leisten. Tatsächlich aber kann auch ein kommerzielles Buch den Anspruch eines Fachbuches erfüllen und hat es einen besonderen intellektuellen Reiz, Thema und Zuschnitt des Buches so festzulegen, dass es beide Anforderungen erfüllt: in der Darstellung Rücksicht zu nehmen auf die Leserschaft außerhalb der Fachwelt und zugleich einen substantiellen Gegenstand zu behandeln, der in der Fachwissenschaft noch nicht oder zumindest schon lange nicht mehr behandelt worden ist. Wenn die Zielgruppe eines Sachbuchs zu einem freieren, hier und da vielleicht sogar essayistischen Schreiben animiert, ist das für den fachlichen Charakter des Buches keineswegs per se eine Einschränkung, vielfach wohl sogar ein Vorzug, weil auf diese Weise Überlegungen relativ ungebunden formuliert werden können, die neue Anregungen für die Fachdiskussion liefern.

Wer Sachbücher schreibt, arbeitet an der Schnittstelle zwischen fachlicher Diskussion und Öffentlichkeit, ein Punkt, dessen Bedeutung kaum überbewertet werden kann. Jede Disziplin profitiert davon, wenn diese Vermittlungsaufgabe lebhaft wahrgenommen wird. Gleich wie man individuell dazu steht: Geisteswissenschaften haben eine Legitimationspflicht gegenüber der Gesellschaft, und wer durch Ausstellungen, populärwissenschaftliche Vorträge oder Beiträge in den Medien oder eben mit Sachbüchern hier etwas beiträgt, arbeitet an der Erfüllung dieser Pflicht mit.

Bei der Produktion des Buches stellt sich dem „kommerziellen Autor“ unter Umständen eine Herausforderung, die in einem Fach wie der Klassischen Archäologie das ganze Projekt unmöglich machen kann, die Fotokosten. Sofern der Anspruch auf hohe Qualität besteht, also nicht mit Repros gearbeitet wird, lernt man die ganze Spanne an Forderungen der Rechteinhaber kennen. Bei deutschen Museen und den vom BPK (Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz) vertretenen ausländischen Museen wie dem Louvre und dem British Museum muss man aktuell mit Preisen von 50 bis 60 Euro rechnen. Manche Häuser leisten sich aber auch geradezu prohibitive Preise, bei mitunter schlechterem Service; das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe hat sich hier eine Erwähnung verdient. Warner Bros. wollte für ein film still mindestens 300 Dollar haben und sich vor der Zusage zudem den Text vorlegen lassen – wir haben verzichtet. Gratis dagegen kann man gute digitale Aufnahmen von großen griechischen (!) Museen wie dem Akropolismuseum erhalten, beinahe kostenfrei von den Abteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Auch Auktionshäuser sind sehr liberal, hier sicher aufgrund des kleinen Werbeeffekts, den das Buch liefert. Hätten wir im Schnitt tatsächlich 50 Euro bezahlen müssen, wäre das Buch bei ca. 100 Abbildungen definitiv zum Verlustgeschäft geworden oder, positiv gesprochen, zur persönlichen Liebhaberei.

Ein Lektorat, das diese Bezeichung verdient, gibt es bei einem solchen Titel nicht. Man sollte das nicht vorschnell kritisieren und etwa auf die Tatsache schieben, dass der in der Klassischen Archäologie so traditionsreiche Name Philipp von Zabern schon vor einigen Jahren als Verlag aufgehört hat zu existieren und inzwischen nur noch ein Imprint der Publikationsmaschinerie Wissenschaftliche Buchgesellschaft ist. Eine inhaltliche Auseinandersetzung hat auch im fachwissenschaftlichen Bereich bei fast keiner meiner Publikationen stattgefunden, d.h. das Manuskript, ob Aufsatz oder Buch, wurde mit nur wenigen Ausnahmen exakt so gedruckt, wie es vorgelegt wurde. Der Qualitätsvorbehalt, den es gegenüber Open Access-Publikationen und erst recht gegenüber freiem Publizieren im Internet gibt, verliert dadurch einiges von seiner Berechtigung.

Zum Schluss zum eigentlich kommerziellen Aspekt der Unternehmung: Gewinn ist möglich, bei einer einigermaßen realistisch eingeschätzten Zahl von gut 1.000 verkauften Exemplaren ergibt sich, zusammen mit der Überweisung der VG Wort, vor Steuern ein Erlös von 2.500 Euro oder etwas mehr, je nach Höhe des Ladenpreises, wovon gegebenenfalls die eigenen Fotokosten abzuziehen sind. Der Mindestlohn wird damit nicht erreicht, aber eine kleine Befriedigung durch das pekuniäre Zubrot.

Aber nochmals zum Stichwort „Liebhaberei“. Die starke Internetorientierung gerade der noch jungen Leser, die irgendwann dann auch Buchkäufer werden könnten, dazu die immer umfassendere Bereitstellung digitaler Medien durch die Bibliotheken machen ein rentables Bücherdrucken immer schwieriger. Kleine Fächer wie die Klassische Archäologie mit ihren aufgrund der Abbildungen zudem relativ aufwendigen Titeln werden das vermutlich in besonderer Weise zu spüren kommen. Vielleicht kehren wir, gerade wegen der unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Verbreitung von Inhalten bald wieder ins 18. Jahrhundert zurück. Anstatt ein schickes Auto leisten wir uns als Autoren dann die Herausgabe eines schönen Buchs, das ohne das eigene finanzielle Engagement nicht entstanden wäre und das mit allem, was zu einem beglückenden Buch gehört, nur als physisches Erzeugnis zu haben ist.